Künstliche Intelligenz, eine kontroverse Diskussion

Künstliche Intelligenz, eine kontroverse Diskussion

Artikel / Quelle

DUB Unternehmer-Magazin

Severin Renold – DIGIALOG AG

Thema

K.I.

Künstliche Intelligenz

Von drohender Apokalypse sprechen die einen, von immensen wirtschaftlichen Möglichkeiten und Chancen für die Menschheit die anderen. Die Diskussion um das revolutionäre Potenzial von KI ist kontrovers – voll entbrannt.

 

Es liegt in eurer Natur, euch selbst zu zerstören. Dieser Satz ist -laut Drehbuch- nicht menschlichen Ursprungs. Gesprochen hat ihn der T-800 – jene Kampfmaschine aus „Terminator 2“, James Camorons Action-Blockbuster von 1991. In diesem Plot mimte Arnold Schwarzenegger eine künstlich intelligente Kampfmaschine, die – zurückgeschickt aus der Zukunft – verhindern sollte, dass ein erdumspannendes IT-System namens Skynet die Macht über die Menschen und die Welt an sich reisst und dass der künftige Anführer des menschlichen Widerstands getötet wird. „Tag der Abrechnung“ lautet treffend die Unterzeile der deutschen Kinofassung, „Judgement Day“.

 

Zivilisation in Gefahr?

Science-Fiction. Gelobt und gefeiert von den Fans und noch heute diskutiert die reale Welt über das Risiko einer Bedrohung durch Künstliche Intelligenz (KI). Im Sommer 2017 wandten sich 196 Experten und Unternehmen aus den Bereichen Robotik und KI in einem offenen Brief an die Vereinten Nationen. Darin warnten sie vor den tödlichen Gefahren künftiger intelligenter Waffensysteme. Letale autonome Waffen seien die nächste Stufe in der Geschichte der Kriegsführung. Sie äusserten die Besorgnis, dass solche Waffen – in den Händen von Terroristen und Despoten- gegen Unschuldige eingesetzt werden könnten. Die Welt habe nur noch wenig Zeit zum Handeln, heisst es. Die Büchse der Pandora einmal geöffnet, sei sie nur schwer wieder zu schliessen. Einer der Unterzeichner der Petition war SpaceX – Chef und Tesla Gründer Elon Musk – bislang als Innovationstreiber bekannt. Aber auch als Freund klarer Worte.

 

Schon im Juli sprach er vor US-Politikern über KI und verweist auf die grosse Gefahr, der die Weltgemeinschaft gegenüberstehe. Musk, selbst alles andere als ein Regulierungsfreund, forderte nachdrücklich Grenzen ein: „KI ist ein seltener Fall, in dem wir proaktiv statt reaktiv sein müssen“ Im gleichen Atemzug prognostiziert er ein fundamentales Risiko für die Existenz der menschlichen Zivilisation – wenn zu spät gehandelt werde. Musk sieht im Wettlauf um die Vorherrschaft bei KI den möglichen Grund für den Ausbruch eines dritten Weltkriegs.

Als Reaktion auf seine Aussage schlug kein Geringerer als Wladimir Putin in die gleiche Kerbe. „KI ist nicht nur die Zukunft Russlands, sondern auch die der gesamten Menschheit. Wer Anführer dieser Sphäre wird, wird Herrscher der Welt“, konstatierte der russische Präsident in einer Rede vor Studenten. Er ergänzte aber auch, dass Russland sein Wissen teilen werde, sollte es zum Anführer avancieren. „Es beginnt“, so Musks Twitter-Antwort.

 

Den Planeten verlassen

Auch das britische Physik- und Astro-Genie Stephen Hawking hat wiederholt gemahnt, die Gefahren Künstlicher Intelligenz nicht aus den Augen zu verlieren: „Wir haben jetzt die Technik, den Planeten den wir bewohnen zu zerstören, aber die Technik, um ihn zu verlassen noch nicht entwickelt“ – so seine nüchterne Einschätzung. Schon 2014 warnte Hawking in einem BBC-Interview: „Die Entwicklung vollständiger KI könnte das Ende der Menschheit bedeuten.“ Als hätte es bereits Albert Einstein gewusst. „Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem die Technologie unsere Menschlichkeit übertrifft“: So skeptisch äusserte sich der Nobelpreisträger schon vor 100 Jahren.

 

Robotik und künstliche Intelligenz

 

Sachlich diskutieren

Existenzielles Risiko? Untergang der Welt? Wie reell ist die Gefahr denn nun wirklich? Glaubt man den Aussagen der Weltuntergangspropheten, steht die KI-Apokalypse unweigerlich bevor. Viele andere Experten mahnen allerdings zur Sachlichkeit. „Ziemlich verantwortungslos“ findet zum Beispiel Facebook-Gründer Mark Zuckerberg die Aussage von Musk und warnt indirekt vor Panikmache. Sachlich argumentiert IT-Urgestein und Microsoft-Gründer Bill Gates. Auf der einen Seite hinterfragt er, „Warum die Menschen nicht besorgter sind“, findet andererseits aber, dass das Kontrollproblem nichts ist, „was der Menschheit unmittelbar bevorsteht“. Der Tech Forscher Kevin Ashton, der als Erfinder des Begriffs „Internet der Dinge“ gilt, ruft in einem Interview mit der „FAZ“ zu einem mässigenden Tonfall auf und relativiert: „Elon ist ein grossartiger Unternehmer, aber er ist kein Computerwissenschaftler. Ähnlich verhält es sich mit Stephen Hawking. Er ist ein fantastischer Physiker, aber kein Informatiker. Ich denke, beide liegen falsch.“ Laut Ashton spielten sie mit der „Urangst vor dem Kontrollverlust“ und beschwörten neue Monster herauf. Letztendlich aber hat es der Mensch selbst in der Hand, ob sich die Chancen oder die Risiken von KI durchsetzen werden. Immerhin: Den Warnungen der Mahner folgen auch Taten. Musk und andere wollen ihre ganze Innovationskraft in die Entwicklung einer KI investieren, die dem Menschen nützt. Welche Motivation am Ende hinter der Anwendung von KI steht, ist zweifelsohne die Gretchenfrage.

 

Transparenz, Bildung, Nutzen

Vorstandsvorsitzender von Bosch, hält sich lieber an die Fakten, als allzu kühne Blicke in die Glaskugel zu werfen. „Aus meiner Sicht kommt es auf vier Punkte in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umsetzung der neuen Technik an: Transparenz, Bildung, Nutzen sowie Kooperation statt Substitution“, so Denner. „Das heisst erstens: Erklären, was wir tun, uns auch dem kritischen Diskurs stellen. Zweitens: Die Menschen zum Umgang mit KI befähigen, sie schulen. Drittens: Auf Anwendungen setzen, die Nutzen stiften, etwa Unfälle vermeiden, vorausschauend Produktfehler oder Krankheiten diagnostizieren. Und viertens: Menschen mit KI nicht ersetzen, sondern den Menschen mit KI noch wertvoller machen.“ Der letzte Punkt ist auch für Ralf Herbrich relevant. Der Director Machine Learning bei Amazon Deutschland stellt die Grundsatzfrage, ob man vom technischen Fortschritt einen positiven Einfluss auf die Menschheit erwarte oder nicht. „Da sagen wir ganz eindeutig: Technologie verbessert das Leben der Menschen. Wir müssen natürlich permanent lernen und uns anpassen, aber hier in Europa, mit dem hohen Bildungsstandard, sind wir in einer guten Position, den Möglichkeiten der Zukunft offen entgegenzusehen.“

 

Probleme lösen

Arno Walter wiederum, Vorstandsvorsitzender der comdirect Bank, steht den Möglichkeiten von KI sehr positiv gegenüber. Er glaubt nicht an das Aus des mündigen Menschen:“ KI bedeutet nicht das Ende Homo Sapiens.“ Vielmehr werde KI unser Leben auf vielschichtige Art verändern. „Die immer besser lernenden Maschinen werden ein grosses Problem der Gesellschaft lösen können: Die Betreuung einer ganzen Generation zunehmend pflegebedürftiger Menschen. Ab dem Jahr 2020 gehen die Babyboomer, die Angehörigen der besonders geburtenstarken Jahrgänge in Deutschland, in Rente. So entsteht in den nächsten 20 Jahren eine gigantische Herausforderung in Sachen Pflege. Wenn wir nun überlegen, welche Aufgaben Roboter zukünftig übernehmen können, reicht das von der Unterstützung beim Waschen bis in viele andere Bereiche hinein. Ich bin sicher, wir werden künftig alltäglich sprachgesteuerten intelligenten Robotern begegnen.“ Für Peter Breuer, Senior Partner bei McKinsey, ist ebenfalls klar, wer mittel- bis langfristig die Oberhand behalten wird. „Die Entwicklungen, die wir in den vergangenen Jahren gesehen haben, sind schon erstaunlich. Der Mensch wird aber niemals überflüssig werden. Emotionen, Kreativität und Empathie werden auch auf lange Sicht nicht auf Roboter übertragbar sein. Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Debatte über die Auswirkungen von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Dabei sollten wir auch die Chancen und nicht nur die Risiken in den Blick nehmen.“

 

 

KI Hand Mensch