Investitionen in und mit Nachhaltigkeit

Investitionen in und mit Nachhaltigkeit

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Severin Renold

Thema

Investitionen und Nachhaltigkeit

Anlegen mit gutem Gewissen

Am Alkohol scheiden sich bekanntlich die Geister. Der eine verachtet ihn als die schlimmste legale Droge überhaupt, der andere sieht ihn als Kulturgut – immerhin gibt es gerade in Deutschland Abertausende von Brauern, Winzern und Schnapsbrennern, die ihrem Handwerk seit Generationen nachgehen, übrigens auch in der Schweiz mit über 1000 Biersorten. Zudem sind alkoholische Getränke in weiten Teilen der Welt fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Andererseits: Wenn wegen der Nebenwirkungen des Alkohols Familien zerbrechen und Existenzen zugrunde gehen, handeln dann Menschen, die mit Alkohol Geld verdienen, ethisch und tun sie der Gesellschaft auf lange Sicht etwas Gutes?

 

Mindestens ebenso diffizil wird es bei der Frage, ob es ethisch ist, wenn für Medikamente, die Menschen heilen, Tiere sterben müssen. Die Liste dieser Sinnfragen liesse sich problemlos fortsetzen. Jede Frage für sich verweist auf das Dilemma, dass alles, was als gut, sinnvoll und nachhaltig angesehen werden kann, auch seine Schattenseite hat.

 

Für Anleger, die nachhaltig anlegen wollen, heisst das in erster Linie, dass sie zunächst einmal in sich gehen müssen, um herauszufinden, was ihnen persönlich wichtig ist. Denn jeder Mensch ist anders, jeder hat bestimmte Werte, nach denen er lebt und folglich auch investieren will. Das heisst konsequenterweise auch, dass Anleger, die nach bestimmten Prinzipien anlegen wollen, auch flexibel sein müssen. So flog etwa der Pharmakonzern Bayer im Jahr 2006 aus vielen Fonds katholischer Banken. Denn damals übernahm der Leverkusener Konzern mit Schering einen der grössten deutschen Hersteller der Antibabypille – aus katholischer Sicht ein Sündenfall. Auch hier gibt es jede Menge Unternehmen, die sich unter dem Blickwinkel bestimmter Anlagephilosophien vom Paulus wieder zum Saulus zurückverwandelt haben. Nachfolgend soll also ein Auszug aus dem Kosmos der nachhaltigen Geldanlagen dargestellt werden.

 

 

Nicht von der Substanz leben

Doch zunächst einmal zum Begriff Nachhaltigkeit selbst. Im Grunde bedeutet nachhaltig nichts anderes, als nicht von der Substanz zu leben. Der Begriff wurde vor gut 300 Jahren von Hans Carl von Carlowitz, einem sächsischen Beamten, geprägt. Er verfasste das erste umfassende Werk zur Forstwirtschaft und kam dabei zum Schluss, dass es sinnvoll ist, nur so viel Holz aus den Wäldern zu schlagen, wie auch nachwachsen kann.

 

Vor allem in den vergangenen 30 Jahren hat der Begriff ausserhalb der Forstwirtschaft Karriere gemacht. Heute wird Nachhaltigkeit gern synonym mit den ESG Kriterien verwendet (Environment, Social, Governance). Nach dieser Lesart steht Nachhaltigkeit für vieles, was umwelt- oder sozialverträglich ist oder als gute Unternehmensführung bezeichnet werden kann. Der letzte Punkt bedeutet konkret, dass Korruption geächtet ist und Staaten und Unternehmen darauf achten, langfristig erfolgreich zu wirtschaften, auch wenn das vorallem für Firmen bedeutet, kurzfristige Gewinne auch mal liegen zu lassen.

 

growing money

 

Weniger Rendite? Von wegen!

Anders als Kritiker einwenden mögen, ist das, was als nachhaltig bezeichnet wird – sofern es konsequent verfolgt wird -, keineswegs weltfremder Idealismus, sondern getrieben von handfesten wirtschaftlichen Interessen. Im Klartext: Wer nach bestimmten Kriterien der Nachhaltigkeit handelt – ob nun sozial, ökologisch oder ethisch motiviert -, muss zumindest auf mittlere und lange Sicht keine Abstriche beim Gewinn machen. Das belegen viele Untersuchungen.

 

Die meisten Studien kommen zu dem Ergebnis, dass nachhaltige Geldanlagen bei gleichem Risiko ebenso viel Rendite bringen wie Konventionelle – wenn nicht sogar mehr, sagt Professor Alexander Bassen, Mitglied des Nachhaltigkeitsrats der Bundesregierung. Forscher der Uni Kassel haben bereits 2014 nachhaltige und konventionelle Fonds derselben Fondgesellschaft verglichen. Ihr Ergebnis: In der Regel lagen die nachhaltigen Produkte vorn. «Es ist ein Ammenmärchen, dass Nachhaltigkeit Rendite kostet», sagt denn auch Studienleiter Christian Klein.

 

Bei der Auswahl gibt es kaum noch Einschränkungen. Nachhaltige Anlageprodukte, ob nun im Gewand von Fonds oder Anleihen, haben sich im Laufe der Jahre entwickelt wie Bio-Lebensmittel. Während biologisch erzeugte Lebensmittel vor 20 Jahren nur im Reformhaus und Naturkostladen erhältlich waren, gibt es sie inzwischen in jedem Supermarkt. In den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts gab es nachhaltige Investments in Deutschland und der Schweiz praktisch nicht. Erst Mitte 1996 kam mit dem Öko-Vision Classic der erste Aktienfonds für Privatanleger auf den Markt, der bei seinen Investments auch ökologische und ethische Aspekte berücksichtigte.

 

Laut der Ratingagentur Scope können deutsche Anleger derzeit aus weit über 400 Investmentfonds wählen, die Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen. Etwa 100 Fonds sind seit 2015 dazugekommen. Und keiner dieser Fonds ist wie der andere; Es gibt neben Fonds die weitgefasste Anlageregeln haben oder ganze Industrien ausschliessen, auch Themenfonds, die nur einzelne Branchen berücksichtigen – etwa Wasserfonds.

 

Nachhaltigkeit liegt im Trend: Das Volumen der nachhaltigen Investments steigt weltweit. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind laut des Forums Nachhaltige Geldanlagen inzwischen rund 419.5 Milliarden Euro auf diese Weise angelegt, rund 29% mehr als Ende 2016. Was nach einer grossen Summe klingt, stellt aber nur ein Zwanzigstel des Gesamtmarkts dar.

 

 

Reine Lehre oder Klassenbeste?

Viele Anleger orientieren sich offenbar an einer Portfoliotheorie, nach der die Rendite sinkt, je kleiner das Anlage Universum wird. Und je strenger und vielfältiger die Ausschlusskriterien sind, desto kleiner wird es auch. Vertreter der reinen Lehre wie Thomas Jorberg, Chef der sozial-ökologischen GLS Bank, ficht das nicht an. Wer langfristig Geld anlegen will, fahre mit strengen Kriterien besser. Sein Lieblingsbeispiel sind fossile Energien wie Öl, Kohle und Gas: «2050 werden diese Energieträger knapp, wer hier heute als Langfristinvestor anlegt, befindet sich offenbar im Tiefschlaf.» Für Anleger, die nicht ganz so dogmatisch vorgehen wollen oder ihr Anlage Universum etwas grösser halten möchten, gibt es den Investmentansatz «best in class». Hier wird grundsätzlich keine Branche ausgeschlossen, sondern nur in Unternehmen investiert, die unter bestimmten Aspekten am besten sind.

 

Ein weiteres Problem: Der Begriff «nachhaltig» ist nicht geschützt. Deshalb gibt es eine ständige Debatte darüber, was nachhaltig ist – und was nicht. Zwar gibt es längst spezialisierte Ratingagenturen, die sind aber beileibe nicht überall und uneingeschränkt anerkannt. Zu diesen gehören Imug, Oekom Research, RobecoSAM, Sustainalytics und Vigeo Eiris. Sie nutzen neben wirtschaftlichen Daten auch Informationen über Umwelt und Sozialstandards sowie Unternehmensführung. Um für Anleger mehr Transparenz zu schaffen, arbeitet die EU-Kommission an einheitlichen Standards. Ob und wann diese kommen und inwieweit sie Anlegern tatsächlich bei der Orientierung helfen können, ist aber noch offen.

 

Wahrscheinlich bleibt es dabei, dass jeder, der nachhaltig anlegen will, sich zuerst mal darüber klar werden sollte, was er genau will. Und dann muss er nochmals genau hinschauen, ob das Investment hält, was es verspricht.