Anwendungsbereiche, Gefahren und Veränderungen durch die Blockchain

Anwendungsbereiche, Gefahren und Veränderungen durch die Blockchain

Blog / Quelle

Severin Renold – DIGIALOG AG

Thema

Blockchain

Was war die erste dezentralisierte Währung?

Auch wenn Bitcoin als erse Kryptowährung gilt, so war es nicht die erste dezentrale Währung. Es gab mehrere Kulturen auf der ganzen Welt, die sich weigerten, ein zentralisiertes Währungssystem zu besitzen. Während es sehr schwer zu sagen ist, welches davon das grösste oder erste war, ist das System der Rai-Steine auf der Insel Yap sicherlich eines der faszinierendsten und beschreibt gleichzeitig das Konzept einer Blockchain und von Dezentralisierung auf leicht verständliche Art und Weise.

Auf der Insel Yap gab es nicht allzu viel Gold. Um trotzdem eine Währung zu haben, zu der jeder Zugang hate, über die aber keiner die alleinige Kontrolle hatte, begannen sie, riesige runde Steine zu produzieren, welche dann als Währung verwendet wurden. Theoretisch hätte jeder Insulaner diese Steine selbst produzieren können, doch meistens wurde es zu einer spezialisierten Aufgabe, die von wenigen ausgeübt wurde, während die anderen es vorzogen, Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen, um so solche Steine als Bezahlung entgegenzunehmen. Somit war das System für alle offen, jeder hatte die gleichen Rabatte und niemand war mehr oder weniger wert als jemand anderes der Community.

Wenn man sich jedoch die Kriterien für eine Währung ansieht, erkennt man ein buchstäblich grosses Problem: den Transport dieser Steine. Es war ein Albtraum, diese von einem Ort zum anderen zu transportieren, da sie ja mit Absicht so gross gemacht wurden, um die Produktion zu erschweren, damit sie, wie es für eine Währung notwendig ist rar waren. Die Lösung? Anstatt die Steine zu transportieren, begannen die Inselbewohner, die Steine an spezifischen Orten wie zum Beispiel vor einer Kirche, einem bestimmten Haus usw. zu lagern und dann den Besitz eines Steins bei der Bezahlung weiterzugeben. Dies funktionierte, indem ein Insulaner nach einem Bezahlungsvorgang alle anderen auf der Insel informierte, wem er gerade einen der Rai-Steine gegeben hatte. Es wurde also nicht der Stein, sondern das Wissen darüber, wer einen Stein besass, weitergegeben. Der Stein selbst blieb immer am selben Platz, nun waren die Steine eine hervorragende dezentrale Währung, da sie eine Wertaufbewahrungsmethode, eine gute Transportmethode und eine für die Insulaner einfache Rechnungseinheit waren. Die Währung basierte auf einem dezentralisierten System, bei dem jeder Insulander wusste, wer tatsächlich einen bestimmten Stein besass und so konnte niemand ein Double Spending durchführen. Wenn man das Konzept der Kryptowährungen betrachtet, erkennt man, wie ähnlich dieses Konzept der Rai-Steine zu diesen neuartigen digitalen Währungen ist. Mit dem Unterschied, dass Rai-Steine physisch und Kryptowährungen digital sind.

2 bitcoins

Anwendungsbeispiele
Es gibt kaum einen Geschäftsbereich, bei welchem keine Dezentralisierung umsetzbar wäre. Somit sind der Blockchain Technologie Türen und Tore geöffnet. Viel Hoffnung setzt man hierbei in die bereits erwähnten Smart Contracts, welche es erlauben unwiderruflich Dinge in der Blockchain zu speichern. Nachfolgend sind einige Anwendungsbeispiele aufgelistet, nebst der Funktion als digitale Währung.

 

Blockchain im Vertragswesen:
In jeglicher Hinsicht basiert ein Vertrag auf Vertrauen in die andere Vertragspartei. In mündlicher oder schriftlicher Form, mit gegenseitiger Willensübereinstimmung und der Verifizierung durch eine Unterschrift, versuchen die Vertragsparteien eine gewisse Verbindlichkeit aufzubauen. Gegen Entgelt verpflichtet man sich beispielsweise eine gewisse Dienstleistung auszuüben oder ein Produkt oder Recht abzutreten. Doch was passiert, wenn die fremde Vertragspartei den Vertrag vernichtet und eine gegenseitige Übereinstimmung abstreitet? Was passiert bei der Vernichtung des Vertrags durch externe Einflüsse? Man müsste sich auf seine Rechte stützen, doch dies verlangt in vielen Fällen nach Beweismaterial. Genau hier kommt der revolutionäre Vorteil der Blockchain, welche in ihrer aktuellen Grösse bereits als unzerstörbar deklariert wird. Angenommen Verträge könnten zukünftig in Sekundengeschwindigkeit auf der Blockchain gespeichert werden, so würde der Faktor Vertrauen durch Technik ersetzt. Denn niemand kann jene Transaktion, welche in einem Block verschlüsselt und verifiziert wurde von der Gemeinschaft, wieder ändern, vernichten oder ungeschehen machen. Der Vertrag würde gespeichert und protokolliert und für alle einsichtlich, welche im Besitz der dazugehörigen Identifikationsnummer sind. Erste Versuche starten hierbei bereits auf Grundbuchämtern. Gerade in Drittweltländern, in welchen oftmals noch Darwin’sche Gesetzte vorherrschen, könnte eine solche Blockchain Lösung für Fairness und Gerechtigkeit sorgen. Selbstverständlich lässt sich diese Bestätigung eines Gegenstands oder Zustands auch auf andere Bereiche anwenden, wie zum Beispiel bei der Echtheit von Originalen in der Kunstbranche, bei Edelsteinen oder Medikamenten bis hin zu der Dokumentation von gesamten Lieferketten.

 

Blockchain als B2C Plattform:
Nachdem also bei der Blockchain die zentrale Verwaltung entfällt, werden auch bisherige Vermittlungsplattformen bis zu einem gewissen Punkt entbehrlich.
Ein perfektes Beispiel lässt sich anhand von Airbnb, dem weltweit grössten Vermittler von Privatunterkünften wiederspiegeln. Ein neues Startup mit dem Namen bAirbnb soll der Blockchain Konkurrent werden von Airbnb und statt das klassische Geschäftsmodell, in Form einer Genossenschaft aufgebaut werden, welche im Eigentum ihrer Mitglieder steht. Die Einnahmen sollten nach Abzug der Gemeinkosten komplett an die Mitglieder fliessen, die die Plattform steuern und Entscheidungen treffen können. bAirbnb ist eine dezentrale Anwendung aus intelligenten Verträgen, das Daten auf einer Blockchain mit einem Wohnungsverzeichnis speichert. Möchte man eine Unterkunft mieten, durchsucht und filtert die Software die Blockchain nach allen aufgeführten Objekten, die den Kriterien entsprechen. Der Austausch und die Vermittlung findet also direkt unter den Anwendern statt, welches unter anderem folgende Optimierungen mit sich bringt:

• Reputation: Jedermann ist gewillt einen möglichst guten Service zu bieten und sich regelkonform zu verhalten. Eine schlechte Bewertung der Persona, wäre sofort ersichtlich bei der Verwendung weiterer externer Apps und Dienstleistungen in Form eines Verzeichnisses.

• Identifikationsbestätigung: Jeder User muss sich über eine «VerifyID» App identifizieren, um die Software nutzen zu können. Im Schadenfall wäre diese rückverfolgbar und eine Anonymität ist ausgeschlossen.

• Datenschutz: «VerifyID» verfolgt nicht alle Transaktionen in einer Datenbank, es gibt lediglich echt oder falsch an. Diese Trennung von Identität und Aktivität erhöht den Datenschutz enorm

• Risikominderung: Daten werden nicht auf zentralen Servern gespeichert, welche gehackt werden können. Es gibt ausschliesslich individuelle Peer-to-Peer Transaktionen unter Pseudonymen.

• Abrechnung: In der Blockchain werden Finanzmittel in Sekunden an den Vermieter übertragen, nicht erst nach Tagen wie bei Airbnb. Kautionen lassen sich zudem leichter verwalten durch die Verwendung von intelligenten Kontrakten.

Die selbe Technologie lässt sich anwenden auf Unternehmen wie Uber (Taxivermittlung), Reisevermittlungen, der Modebranche oder in der Lebensmittelindustrie.

 

Blockchain im IOT Bereich:
Eine weitere technologische Evolution birgt sich im Bereich IOT. Die Vision besteht darin, Gegenstände und Maschinen jeglicher Art über das Internet miteinander zu verbinden und kommunizieren zu lassen. Diese Technologie kombiniert mit der Blockhchain, bringt weitere Geschäftsmodelle und Ergänzungsmöglichkeiten hervor. Nimmt man wieder das Beispiel von bAirbnb, so könnte dies in Form von intelligenten Schlössern Anwendung finden. Das heisst, dass ein mit der Blockchain verknüpftes Schloss weiss, wann und ob die Vertragspartei gezahlt hat oder nicht. Bei Ankunft beim Mietobjekt kann ein nahfeldkommunikationsfähiges Smartphone mit dem öffentlichen Schlüssel eine Nachricht als Zahlungsnachweis signieren, wobei der Vermieter keine Schlüssel mehr zukommen lassen muss oder gar persönlich erscheinen. Auch dieses Anwendungsbeispiel lässt sich abwälzen auf Carsharing und weitere Vermietungsdienstleistungen. Das Blockchain Unternehmen IOTA betreibt intensive Forschungsarbeit in diese Richtung. Vom Privathaushalt bis hin zu Grosskonzernen könnte dies von grossem Interesse sein. Angenommen die Kaffeemaschine ist verbunden mit dem Kühlschrank, dem Stromnetz und der Mikrowelle. Somit könnten Produkte automatisch über einen Onlinehändler nachbestellt werden oder bei Defekt einer Maschine ein Service geordert werden, stets unter der Einhaltung der Datenschutzbedingungen, welche über die Blockchain geregelt werden.

 

Blockchain im Gesundheitswesen:

Da die Blockchain so eingerichtet werden kann, dass nur bestimmte Personen Zugriff auf die Daten haben und trotzdem das weltweit verteilte Netz verwendet werden kann um die Daten zu lagern, ist es perfekt dazu geeignet sensible Daten zu speichern. Somit können Patientenakten, Krankheitsverläufe, Berichte und vieles mehr in der Blockchain gespeichert werden und nur dann für jemanden freigeschaltet werden, wenn dieser diese Informationen auch bekommen darf. Derzeit entstehen einzelne Datenbanken, sogenannte Silos, die gegenseitig abgeschirmt sind und nur auf spezielle Anfrage weitergeleitet werden. Das führt zu inkonsistenten Daten und kann auch zu Problemen bei der Behandlung führen. Auch wäre es beispielsweise möglich, spezielle Geräte mit seinem eigenen Patientenprofil zu verbinden und so eine interaktive Krankenakte zu erstellen. Beispielsweise könnten die Werte der Blutzuckermessung und der Insulinpumpe automatisch mit der Akte abgeglichen werden und bei Bedarf durch den Arzt angepasst werden. Eines der führenden Unternehmen in diesem Markt ist Medicalchain, welche schrittweise die Patientenakte digitalisiert, auf der Blockchain ablegt und den Austausch zwischen Patienten und medizinischen Institutionen wesentlich verbessert.

 

Beurteilung des Schwarzgeldmarktes
Das jährliche Volumen an gewaschenen Geldern lässt sich nur sehr schwer einschätzen und ausweisen, das United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC), schätzt die Summe auf jährlich 2-5 % des weltweiten Bruttoinlandprodukts. 2009 betrug dies rund 1.4 Billionen USD, international wird Kapital in Ländern wie Panama oder auf einzelnen Karibikinseln vorwiegend über die Türöffner Großbritannien und bestimmte US-Bundesstaaten gewaschen. Durch Korruption beziehungsweise die damit verbundene Geldwäsche werden jährlich laut Schätzung des IWF 1.300 bis 1.750 Milliarden USD rechtswidrig eingenommen. Daraus ergibt sich Kalkulationen zufolge eine Schwächung des globalen Wirtschaftswachstums um ca. 2%. 330 Mia Euro setzt die Schattenwirtschaft alleine in Deutschland pro Jahr um, ein Grossteil davon wird in bar abgewickelt.


Verglichen mit dem Marktvolumen im Kryptowährungsmarkt von über USD 100 Mia, wird hier von einer ähnlichen, wenn nicht sogar etwas höheren Quote ausgegangen, welche auf Grund der verstärkten Regulierungen und erhöhten Aufmerksamkeit tendenziell sinkend eingeschätzt wird. Massgebend verantwortlich für den illegalen Kapitalumschlag ist hier das Darknet. Ein öffentliches Netz ohne Rückverfolgungsmöglichkeit der IP-Adressen, wodurch sich User anonym bewegen und handeln können. Als beliebte Zahlungsmethode werden hier Bitcoins verwendet, welche zur Verschleierung der wirtschaftlichen Berechtigung vorweg in sogenannte Mixer gesendet wurden. Diese ermöglichen es, Handelsadressen von Sendern und Empfängern unter tausenden von Nutzern zu vertauschen und eine Rückverfolgung schlichtweg unmöglich zu machen. 1 Mia USD soll Alphabay, der grösste kriminelle Martkplatz im Darknet, seit seiner Gründung 2014 umgesetzt haben. Aus dieser Verwendung ist der Bitcoin auch mit negativen Schlagzeilen behaftet, da sich das Darknet oftmals anbietet für Drogenhandel, Schwarzarbeit, Terrorismusfinanzierung sowie Waffenhandel.

 

Eignen sich Kryptowährungen für illegale Aktivitäten?
Leute glauben, dass Kryptowährungen für illegale Aktivitäten besser geeignet sind als normales Fiat-Geld. Die höchste Form der Privatsphäre hat jedoch bares Geld: niemand weiss, wem es gehört und an wen es weitergegeben wird. Deswegen wollen es Regierungen loswerden. Steuerhinterziehung und andere Verbrechen würden dadurch buchstäblich auf Knopfdruck aufgedeckt werden. Genau das hat sich im Falle von Ross Ulbricht 2015 gezeigt, der wegen Geldwäsche und Drogenhandel mit Kryptowährungen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Dieses Verbrechen mit Fiat-Geld aufzudecken, wäre um ein Vielfaches schwieriger gewesen, bei Kryptowährungen hatten die Ermittler über die Blockchain jedoch Zugriff auf seine gesamte Transaktionshistorie. Als dann ein paar Male die Anonymität bei einigen Transaktionen durchsickerte, war es nicht nur ein Einfaches, seine Identität herauszufinden, sondern gleichzeitig sogar noch ein Beweis dafür, dass er illegale Tätigkeiten durchgeführt hatte. Bei Fiat-Geld wäre dies deutlich komplizierter gewesen und so zeigte sich einmal mehr, dass Kryptowährungen nicht für illegale Aktivitäten geeignet sind, auch wenn es der Unwissende denken mag.